3. Kernqualitäten

Ziele sollen (persönlich) sinnvoll sein und die (berufliche) Entwicklung vorantreiben. Ziele können in Verbindung stehen mit den eigenen Stärken, Schwächen und Kompetenzen. Dabei soll hier bedeuten:

Stärke: Als von mir positiv wahrgenommene persönliche Eigenschaft oder Haltung, die mir bekannt ist.

Schwäche: Mir bekannte persönliche Eigenschaft oder Haltung, Fertigkeit oder Wissensbestand, die ich selber als defizitär oder entwicklungsbedürftig empfinde.

Kompetenz: Relationale Kombination von Wissen, Fertigkeiten, persönlichen Eigenschaften und die Haltung die notwendig ist, um in beruflichen Situationen gut funktionieren zu können.

Achtung: Diese Arbeitsdefinitionen gelten zunächst nur auf Grundlage der Eigenwahrnehmung, also des Selbstbildes. Es ist daher äußerst sinnvoll andere Personen zu ihrer Wahrnehmung meiner Person zu befragen, da es Bereiche der Eigenwahrnehmung gibt, die ich selber kenne, andere aber nicht („geheim“; „Schwächen“ können hier wahrgenommen werden, die andere jedoch nicht an einem sehen) und Bereiche, die die anderen von mir kennen, die ich selber aber nicht wahrnehme („blinde Flecken“; vgl. hierzu das sog. Johari-Fenster). Wenn es um das Entwickeln von Kompetenzen geht, kann das Einholen der Fremdperspektive auf die eigene Person äußerst hilfreich und lehrreich, jedoch mitunter auch schmerzhaft sein.

Ziele können also sowohl auf Schwächen aufbauen („ich möchte etwas Bestimmtes lernen, verändern, weiterentwickeln etc.“), als auch auf Stärken („ich möchte meine Fähigkeit (z.B. Musikalität) zielgerichtet im Berufsalltag einbringen“), sie sind damit zunächst grundsätzlich positiv (vgl. SMART: total positiv, keine NICHT oder UN- Formulierungen).

Stärken und Schwächen sind miteinander verbunden. Daraus folgt, dass abhängig von der Ausprägung aus jeder Stärke eine Schwäche (bzw. umgekehrt) resultieren kann. Weiterhin lassen sich aus dieser Annahme Lernprozesse ableiten, die mithilfe des SMART-STARR-Zyklus verfolgt werden können. Daniel Ofman (2005) bedient sich bezüglich der Stärken des Begriffes der „Kernqualität“, mit der er grundlegende positive Eigenschaften, die zu einer Person gehören und diese ausmachen, bezeichnet (vgl. Arbeitsdefinition von Stärke). An diese Qualität anschließend sieht er eine Fallgrube (ein zu viel der Stärke), eine Herausforderung (als positives Gegenüber der Fallgrube) und eine Allergie (als eigene Reaktion auf jemanden, der zu viel von der Herausforderung einfordert). In diesem Spannungsfeld wird die gegenseitige Bezüglichkeit von Stärken/Schwächen deutlich. Zur Bearbeitung hat Ofman das Kernqualitätenmodell entwickelt, das in den Niederlanden weit verbreitet ist (Management in Wirtschaft und Sozialwesen, Schulen, Personalentwicklung etc.). Ziel einer daraus abgeleiteten Entwicklung sollte sein, Kernqualität und Herausforderung in ein Gleichgewicht zu bringen:

 

                                                                       Zuviel des guten

Kernqualität (+)

(positive Eigenschaft)

 Fallgrube (-)

(negative Seite der Kernqualität; sie ist zu stark ausgeprägt)

Allergie (-)

(eigene Reaktion auf jemanden, der zu viel der eigenen Heruasforderung fordert)

Herausforderung (+)

(positives Gegenüber der Fallgrube)

                                    Zuviel des guten                                               

                                                                 

 

Beispiele:

 a)

Kernqualität (+)

Selbständigkeit

 Fallgrube (-)

Einsamkeit

Allergie (-)

Abhängigkeit

Herausforderung (+)

Gruppenarbeit

                                                                                                                                             

 

 b)

Kernqualität (+)

Gruppenarbeit

 Fallgrube (-)

Abhängigkeit

Allergie (-)

Einsamkeit

Herausforderung (+)

Selbständigkeit

 

                           

Es ist möglich, aus den einzelnen Quadranten die Eigenschaften für die anderen Quadranten abzuleiten. Die Beschäftigung mit diesem Modell kann helfen nach eigenen Stärken und nach eigenen Schwächen zu suchen. Wie erwähnt ist es sinnvoll, auch die Fremdperspektive einzuholen und sie in das Schema einzubinden. Feedback enthält wichtige Hinweise darüber, wie wir von anderen wahrgenommen werden und eignet sich daher gut als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Kernqualitätenmodells.

Es lassen sich unterschiedliche Entwicklungsrichtungen ableiten, Allergie und Fallgrube können nach Kernqualität und Herausforderung entwickelt werden, die Kernqualität kann in Balance mit der Herausforderung gebracht werden: Je nachdem, welche Eigenschaft aus dem Quadranten einem aktuellen Entwicklungsstand entspricht, kann eine darauf zugeschnittene Entwicklung per SMART formuliert werden.

Die Kernqualitätenquadranten können neben dem Darstellen eigener Stärken/Schwächen etc. auch zur Reflexion dienen: Taucht in bestimmten Situationen immer wieder ein bestimmtes negatives Gefühl auf, kann sich eine Reflexion mit der Entwicklung eines entsprechenden Quadranten damit auseinandersetzen, welche eigentlichen Themen dem negativen Gefühl zugrunde liegen. Das negative Gefühl wäre dann in den Quadranten „Allergie“ einzutragen. Der dazugehörige Quadrant böte die Möglichkeit, die Reflexion auf ein höheres Niveau mit zuvor verschlossenen Sichtweisen zu heben, also das Ziel einer Reflexion (neuer Erkenntnisgewinn) und persönliches Wachstum zu verfolgen: Das was in diesem Beispiel als störend wahrgenommen wurde, zeigt sich dann (in einer entsprechend geringeren Dosierung) als eigene Herausforderung, die Ausgangspunkt für einen persönlichen Entwicklungsprozess sein kann.

Um sich mit den Kernqualitäten zu beschäftigen, kann unter der ISBN 90-77987-01-0 z.B. im niederländischen deBoom Verlag ein Spiel bestellt werden: „Kernqualitäten, das Spiel“. Es beinhaltet 128 Karten, mit denen Kernquadrate in verschiedensten Variationen gelegt werden können.

 

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Selbstbestimmung und unendliche Kindheit

"Eltern und auch professionelle Helfer neigen noch oft dazu, den Erwachsenenstatus nicht ernst zu nehmen und auf eine "unendliche Kindheit" zu fixieren. Allein die Sprache, aber auch die Ignoranz gegenüber erwachsenenspezifischen Wünschen und Entwicklungsaufgaben, einem partnerschaftlichen Umgang sowie dem Recht geistig behinderter Menschen, auf Entlassung aus einer lebenslänglichen Erziehungsbedürftigkeit verraten diese immer noch weit verbreitete Gepflogenheit." (S. 57)

Theunissen, G. &Plaute, W. (1995). Empowerment und Heilpädagogik. Freiburg im Breisgau: Lambertus.