Schlippe, A.v. & Schweitzer, J. (2007). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Von Schlippe und Schweitzer zeichnen in diesem hervorragenden Buch die praxisbezogen die theoretischen Konzepte hinter dem systemischen Denken auf. Hierzu geben sie zunächst einen Überblick über die Geschichte der Familientherapie zur systemischen Therapie und Beratung. Im Anschluss daran folgt ein Überblick über die Entwicklungslinie grundlegender systemischer Theoriekonzepte (Kybernetik erster Ordnung, Chaos und Synergetik autopoietische Systeme, Theorie sozialer Systeme, personenzentrierte Systemtheorie, sozialer Konstruktionismus und postmoderne Philosophien) mit Kernfragen systemischer Theorie und dem systemischen Verständnis von Problemen. Der dritte Teil des Buches behandelt die Praxis: Haltungen, Grundannahmen, Hypothesen, systemisches Fragen, Familienskulpturen, Schlussinterventionen und den äußeren Rahmen (Kontrakte, Ziele, Verläufe). Hieran anschließend werden Praxisfelder, settings und Anwendungsbereiche vorgestellt. Eine kritische Einschätzung systemischer Beratung und eine Schlußbetrachtung ("Glauben Sie keinem Lehrbuch! (Allenfalls unserem)) runden mit einem reichhaltigen Literaturverzeichnis und einem Register das Buch ab. Das Buch eignet sich zur fundierten Einführung in systemisches Denken und als Nachschlagewerk und Fundgrube z.B. für systemische Fragen.

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Selbstbestimmung und heimliches Betreuungskonzept

"Dies hängt mit einem Phänomen zusammen, das wir "heimliches Betreuungskonzept" (Linge/Theunissen 1993, 94) genannt haben. Es bezeichnet alle Prozesse und Regelungen, die nebenbei, unbeabsichtigt und unbewußt ablaufen, die enorm wirksam sind und eine "heimliche" Fremdsteuerung, eine gedankenlose Rundumversorgung und Überbehütung sowie eine subtile Überwachung bedeuten. Auch wenn viel Selbstbestimmung proklamiert wird, erhalten trotzdem viele geistig behinderte Menschen keinen eigenen Schrank- oder Zimmerschlüssel; das Personal ist es, das bestimmt, wann und wie lange der Einzelne morgens baden, ob er duschen oder baden darf, welches Shampoo und welche Seife er verwenden, welches Handtuch zum Abtrocknen er nehmen, welche Unterhose und Strümpfe er anziehen soll, wann gefrühstückt wird, wieviel und was er essen oder trinken darf... Damit lernen die Behinderten ganz "heimlich" und im Verborgenen, daß sie nicht über ihre eigenen Lebensumstände verfügen und daß sie ihre Gefühle, Interessen und Bedürfnisse zu unterdrücken haben." (S. 59)

Theunissen, G. &Plaute, W. (1995). Empowerment und Heilpädagogik. Freiburg im Breisgau: Lambertus.