Dommermuth, R. (2004). Dürfen was ich möchte. Selbstbestimmungsrecht geistig Behinderter. Freiburg im Breisgau: Lambertus.

Dommermuth setzte sich in seiner Diplomarbeit mit den Differenzen zwischen theoretischen fachlichen Normen und alltagspraktischen Normen, wie er sie in seiner Tätigkeit als Betreuer in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderungen erfahren hat, auseinander. Dabei verspricht der Titel mehr, als der Inhalt hält. Der Autor stellt "vier Ebenen der Normen" dar, die für ihn "im Umgang mit behinderten Klienten" relevant sind - allgemeine humane Normen (Gesundheit, Helfen, Würde, Gleichheit, Freiheit, Individualität, Selbstbestimmung), Juristische Normen (Gesundheit, Hilfe, Würde, Gleichheit, Freiheit und Individualität), Fachliche Normen und die fachlichen Standards der Einrichtung, die das empirische Material liefert. Auf gerade mal 8 Seiten stellt Dommermuth 6 Fallgeschichten (im Sinne von gedächtnisprotokollierten Kasuistiken) vor, die sein empirisches Material bilden, welches er in der Folge mit Hilfe einer Matrize bestehend aus den vier Ebenen der Normen betrachtet und interpretiert. Abschließend erfolgt ein Vergleich der in der Praxis gefundenen Normen mit den Normen aus der Theorie. Der empirische Teil wirkt stellenweise wie eine Abrechnung mit den Mitarbeitern der Gruppe, in der Dommermuth gearbeitet hat und mit denen er nach eigener Aussage immer wieder in Positionskämpfe und fachlich-inhaltliche Auseinandersetzungen geraten ist, ohne jedoch auf fachlich-reflexive Auseinandersetzungsmöglichkeiten gestoßen zu sein. Den eigenen Anspruch, das wie zu beschreiben und nicht zu interpretieren verlässt Dommermuth an vielen Stellen. Dommermuth plädiert für die Wichtigkeit einer reflexiven und selbstkritischen Grundhaltung, ohne den eigenen Standpunkt mehr als oberflächlich zu hinterfragen oder im Sinne einer beispielhaften Selbstexploration weiterreichende Theoriekonzepte anzuwenden. Eine vertiefte Betrachtung soziologischer oder psychologischer Zusammenhänge der Thematik findet nicht statt, eine eigene Haltung, in der die persönlichen Anteile an der dichotomen Kategorisierung Klienten/Mitarbeiter aufgearbeitet werden, wird nicht deutlich, obwohl doch gerade durch diese Unterscheidung die Bedeutung der Definitionsmacht auf Seiten der Mitarbeiter abgeleitet wird. Ebenso wenig werden konzeptionelle Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Forderung aus dem Titel der Veröffentlichung (Dürfen was ich möchte) praktisch umsetzbar sein soll, was wohl auch an einem nicht deutlich werdenden und unzureichend ausgearbeitetem Begriff und Konzept von Selbstbestimmung liegen dürfte. Interessant ist das von der Einrichtung genutzte (und durchaus kritisch zu betrachtende) Qualitätssicherungskonzept "GBM" (Gestaltung der Betreuung von Menschen mit Behinderung), eines Instruments zur standardisierten Gestaltung des Umgangs und der Alltagspraxis in der Wohngruppe, und die Auswirkungen aus der scheinbar nicht reflektierten Anwendung dieses Instruments. Was bleibt, ist die Unterstützungswürdigkeit Dommermuths´ Plädoyer für Weiterbildung und Supervision als Praxismöglichkeit zur Qualitätsentwicklung und -sicherung.

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Erlernte Hilflosigkeit

- Hilflosigkeit und Apathie können erlernt werden: Leben Menschen in Institutionen, in denen alle Entscheidungen abgenommen werden, entwickeln sie entsprechendes Verhalten

- Abnehmen von Entscheidungen, Handeln ohne Erfolg oder Konsequenz haben Auswirkungen auf die Motivation und die Kognition (vgl. Deci &Ryan: Selbstbestimmungstheorie der Motivation): "Verliert der Mensch die Kontrolle über die Konsequenzen seines Verhaltens, so erlebt er sein Handeln als unsinnig, dies verringert seine Motivation zum Handeln, er reagiert apathisch und hilflos." (S. 176)

- Einfluss auf die Kognition: Nach Erfahrung der Unkontrollierbarkeit hat der Mensch Schwierigkeiten wieder zu lernen, dass seine Reaktionen einen Einfluss haben

- Glaube, dass Erfolg und Misserfolg unabhängig vom eigenen Können sind

- Bewohner in Institutionen sollte ein größtmögliches Maß an Selbsttätigkeit und Selbstentscheidung erhalten bzw. ermöglicht werden

- Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten sind daher nicht nur pädagogische Ziele auf Grundlage eines Menschenbildes, das den autonom handelnden individuellen Menschen im Blick hat, sondern eine wesentliche Voraussetzung für die psychische Gesundheit des Menschen und damit für seine physische Existenz (S. 176)

 

Thesing, T. (2009). Betreute Wohngruppen und Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger Behinderung. Freiburg im Breisgau: Lambertus.